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Hans Kirsch, Scharwächter, Schutzleute, Polizeisoldaten. Die Geschichte der Polizei in Kaiserslautern und in der Pfalz. Verlag der Bezirksgruppe Kaiserslautern im Historischen Verein der Pfalz e.V., Kaiserslautern 2007, 179 teilw. farb. Abb., 809 S. ISBN 978-3-9810838-3-5, 34.- EUR.

Hans Kirsch, der bereits durch zahlreiche Beiträge zur Geschichte des saarländisch-pfälzischen Grenzgebietes hervorgetreten ist und 2003 für den 3. Band der „Chronik des mittleren Ostertals“ (zusammen mit Klaus Zimmer) den Förderpreis des Pfalzpreises für Heimatkunde des Bezirksverbandes Pfalz erhielt, hat nun der umfangreichen Literatur über Kaiserslautern ein wichtiges Werk hinzugefügt. Der Kontext seiner Polizeigeschichte, in der er den Bogen vom Mittelalter bis in die jüngste Zeit schlägt, ist weit gespannt; berücksichtigt werden in den einzelnen Teilen die allgemeine Stadtentwicklung die jeweiligen Rechtsverhältnisse, aber auch die Einflüsse von Reichs- und Landespolitik.

Im ersten Teil der Darstellung, die vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution reicht, gilt das besondere Interesse des Verfassers dem Kreis der Personen, die im Rahmen des Wach- und Sicherheitsdienstes tätig waren. Hier erfahren wir zahlreiche Einzelheiten über die unterschiedlichen Funktionen von Turmwächtern, Beiwächtern, Scharwächtern u.a., aber auch über deren Bewaffnung, Besoldung und Sozialprestige. Dabei ist es naheliegend, dass sich diese Befunde auf Grund der Quellenlage erst für die Zeit des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit zu einem geschlosseneren Bild verdichten. Kirsch kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass es „im Gegensatz zu anderen Städten ... in Kaiserslautern – von einem kurzen Zeitraum abgesehen – kein Gewaltproblem bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ gegeben habe.

Die „französische Zeit“ Kaiserslauterns, das seit 1798 zum Departement „Donnersberg“ gehörte, endete zwar schon 1814, aber: „durch die Entscheidung der bayerischen Regierung, der Pfalz das bisherige Rechtssystem zu belassen, blieben auch Organisation und Aufgaben der Polizei weitgehend unverändert.“ Erhalten blieb vor allem – mit kurzer Unterbrechung – die von den Franzosen geschaffene Gendarmerie, die den Namen. „Landesgendarmerie“ erhielt. Da es zu ihren Aufgaben gehörte, „jede unerlaubte Zusammenrottung“ zu verhindern und zu zerstreuen, war sie auch in die revolutionären Ereignisse von 1832 und 1849 involviert, worauf Kirsch ausführlich eingeht.

Die ersten Jahre der Weimarer Republik waren in Kaiserslautern gekennzeichnet durch die Anwesenheit französischer Besatzungstruppen sowie durch separatistische Bestrebungen, die 1923/24 ihren Höhepunkt erreichten. In den beiden Kapiteln „Der ‚Sturm auf Kaiserslautern‘“ und „Der ‚blutige Februar‘“ schildert Kirsch eingehend die Probleme, die sich aus dem Neben- und Gegeneinander von französischer, separatistischer und städtischer Polizei ergaben. Infolge der katastrophalen Wirtschaftslage gehörte die Verhinderung bzw. Aufklärung von Eigentumsdelikten dagegen zur täglichen Routinearbeit der Polizeibeamten. Bald nach dem Abzug der französischen Besatzungstruppen der zur Jahresmitte 1930 erfolgte, trat eine bayerische Verordnung in Kraft, durch die die städtische Sicherheitspolizei verstaatlicht wurde. „Der Hauptgrund lag in der Verbesserung der polizeilichen Schlagkraft bei eventuellen politischen Unruhen.“

„Die Zeit des Dritten Reiches“, der bei weitem umfangreichste Teil von Kirschs Darstellung, begann auch in Kaiserslautern mit den bekannten Terrormaßnahmen. Schon bald nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 gab es bei der Polizeidirektion etwa 50 SA- und SS-Leute als Hilfspolizisten; gleichzeitig befanden sich 28 Personen in Schutzhaft: 15 Funktionäre der KPD sowie 13 der SPD und des „Reichsbanners“. Wie schon seit der Verstaatlichung im Dezember 1930 bestand die Polizeidirektion Kaiserslautern auch während der NS-Zeit aus den drei Abteilungen Verwaltungspolizei, Ordnungspolizei und Kriminalpolizei mit anfangs fast hundert Bediensteten, deren Zahl sich bis 1940 mehr als verdoppelte. In einem eigenen Kapitel über die personelle „Säuberung“ geht Kirsch akribisch der Frage nach, wer die „Gewinner“ und wer die „Verlierer“ nach der Machtübernahme waren. Zu den letzteren gehörte der bei den Kaiserslauterer Nationalsozialisten besonders verhasste Vertreter des Behördenleiters, Regierungsrat Johannes Beck, über den Gauleiter Bürckel persönlich in einer öffentlichen Rede den Stab brach: „Aus ist es ... mit den verderblichen Machenschaften eines Regierungsrats Beck in Kaiserslautern.“

Ein wichtiges Element der nationalsozialistischen Terrorherrschaft war die Geheime Staatspolizei (Gestapo), die in der Pfalz aus der Bayerischen Politischen Polizei (BPP) unter der Leitung von Reinhard Heydrich hervorging. Anfang 1937 wurde in Neustadt an der Weinstraße, dem Sitz der Gauleitung, eine neue Staatspolizeistelle eingerichtet und die bisherige Gestapo- Stelle Ludwigshafen in eine Außenstelle umgewandelt. Eine weitere pfälzische Außenstelle, allerdings nur von Ende 1939 bis Mitte 1941, gab es in Kaiserslautern, die auch bei der Deportation der pfälzischen Juden am 22. Oktober 1940 aktiv wurde. Bestand die Aufgabe der Politischen Polizei zunächst in der Beobachtung und Bekämpfung der Regimegegner aus den Reihen der KPD, SPD, der Kirchen u.a., so richteten sich die Verfolgungsmaßnahmen bald gegen eine wachsende Zahl von Gruppe] die den „Gegnern“ zugerechnet wurden: neben den Juden die Zigeuner, die so genannten Asozialen, die Homosexuellen und während des Krieges die ausländischen Zwangsarbeiter. Mindeste] 173 Einweisungen von Personen aus der Stadt und dem Landkreis Kaiserslautern in Schutzhaft- oder Konzentrationslager lassen sich nachweisen. „Die tatsächliche Zahl“, so Kirsch, „dürfte allerdings weit höher liegen.“

Ein besonders düsteres Kapitel ist die Beteiligung von Angehörigen der Kaiserslauterer Ordnungspolizei an den Mordaktionen im Osten. Das Reserve-Polizeibataillon 122, dem 61 Beamte und Reservisten aus dem Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Kaiserslautern angehörten, war 1942 in Weißrußland bei der Partisanenbekämpfung eingesetzt. Über eine Aktion am 10. Juni heißt es in dem entsprechenden Bericht: „Die Säuberung des Dorfes erfolgte in kurzer Zeit, wobei auch aus den Häusern geschossen wurde. Die gesamte Bevölkerung wurde zusammengetrieben und zum größten Teil später erschossen. Das Dorf mit etwa 600 Herdstellen wurde abgebrannt.“

Selbstverständlich gab es auch Kaiserslauterer Beamte der Kripo und Gestapo, die während des Krieges in den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD tätig wurden. Im August 1942 erhielt Anton Dunckern, der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Lothringen-Saarpfalz, vom Reichssicherheitshauptamt den Auftrag, ein Kommando für den Einsatz in der Ukraine zusammenzustellen. Das aus 35 Mann bestehende „Ernteschutzkommando Metz“ – Kirsch widmet ihm ein eigenes Kapitel – sollte die KdS-Außenstelle Pinsk bei der „Liquidierung“ des dortigen und sieben weiterer Ghettos unter: stützen. Einer der Angehörigen des Kommandos war Ernst Balbach der ursprünglich der Kaiserslauterer Schutzpolizei angehört hatte und 1940 zur Kriminalpolizei gewechselt war. Nachdem er bereits 1941/42 in der Einsatzgruppe B des SD seine Erfahrungen gesammelt hatte, wurde er jetzt einer der eifrigsten Mordschützen. Im Herbst 1944 tat er wieder bei der Polizeidirektion Kaiserslautern Dienst; die Misshandlung eines gefangenen US-Fliegers und die Mitwirkung an der Erhängung von zwei russischen Zwangsarbeitern gehören zu seinen letzten Schandtaten, bevor er kurz vor Kriegsende bei Kampfhandlungen ums Leben kam.

Für die Kaiserslauterer Polizei, die bei Kriegsende zunächst ganz unter der Kontrolle der amerikanischen und seit Juli 1945 der französischen Besatzungsmacht stand, fand zwei Jahre später mit der Bildung des Landes Rheinland-Pfalz ein Neuanfang statt, Eine zentrale Aufgabe der ersten Nachkriegsjahre, die Kirsch detailliert beschreibt, bestand in der Entnazifizierung der Polizeibeamten, wobei sich bald herausstellte, dass die mit der Durchführung betrauten Organe häufig überfordert waren. So blieb beispielsweise die Falschangabe des späteren (von 1948 bis 1956) Kaiserslauterer Polizeidirektors Kurt Düll, dass er kein Parteimitglied gewesen sei, unbemerkt; heute wissen wir, dass er bereits am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten war. Vor allem Personen, „die während des Krieges in den besetzten Gebieten schwerste Verbrechen begangen hatten und diese Tatsache begreiflicherweise beim Ausfüllen des Fragebogens verschwiegen hatten, durchliefen die Überprüfung in der Regel ungeschoren.“

Ein besonders spektakulärer Fall, auf den Kirsch ausführlich eingeht, war der des Dr. Georg Heuser, der vom Leiter der Kaiserslauterer Kriminalpolizei (1.1.1955) zum Leiter des Landeskriminalamtes in Koblenz (1.1.1958) aufstieg. Erst jetzt geriet er in den Verdacht, an Massenerschießungen von Juden im Raum Minsk beteiligt gewesen zu sein. Am 23. Juli 1959 wurde Heuser verhaftet und am 21. Mai 1963 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Die enorme Arbeitsleistung des Verfassers spiegelt sich sowohl in den über 100 Seiten Text als auch in dem rund 400 Titel umfassenden Literaturverzeichnis sowie den unzähligen Fußnoten, die nicht zuletzt die umfassenden Recherchen in den Archiven belegen. Kirschs auch sprachlich gelungene Darstellung ist jedem zu empfehlen, der an Polizeigeschichte interessiert ist; sie richtet sich jedoch gleichermaßen an einen Leserkreis~ der ganz allgemein für pfälzische Geschichte aufgeschlossen ist wobei selbst der Kenner immer wieder Neues entdecken dürfte. Dies gilt vor allem für die Zeit des Dritten Reiches, wo durch den Einsatz von Polizeiangehörigen im Osten der regionale Rahmen der Darstellung gesprengt wird und eine Fülle neuer Informationen geliefert werden. Das gut gegliederte Inhaltsverzeichnis erleichtert dabei den Zugang und erlaubt es, das Buch, zu dessen Thematik es nichts Vergleichbares gibt, auch als Nachschlagewerk zu benutzen.

Dieter Wolfanger

 

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